Gibt es trotzdem demokratische Perspektiven?
Der Innenausschuss des Hessischen Landtags tagte am 17.09.2025 zur Nachlese des „Lübcke-Untersuchungsausschusses“. Und es standen 25 „Omas gegen rechts“ aus Kassel und Wiesbaden zusammen mit Vertretern der Initiative Nachgefragt e.V. vor der verschlossenen Tür: nichtöffentliche Sitzung. Zwei Mitglieder des Ausschusses (SPD und Grüne) hatten zwar eine öffentliche Sitzung im Vorfeld beantragt, aber nur einen halben Erfolg.
Der Vorsitzende blieb stur: Die Türen blieben zu – und öffneten sich dann doch für zwei TOPs und schlossen sich wieder nach dem nächsten, um sich für den TOP 8, dem eigentlichen und vorletzten zur Überprüfung der Handlungsempfehlungen zum „Lübcke-Untersuchungsausschuss“, wieder zu öffnen: eine Landtagsposse.
Und am Ende der Sitzung blieb es dem CDU-Abgeordneten Bellino vorbehalten, einmal mehr das Resümee der letzten Landesregierung aus dem Untersuchungsausschuss zu wiederholen: „Der Mord (an Walter Lübcke, M.L.) war nicht zu verhindern.“ Da spielte es keine Rolle mehr, dass ein ehemaliger Präsident des Verfassungsschutzes Hessen denselben als „Saustall“ bezeichnete, dass der spätere Mörder Stephan Ernst beim LfV als „abgekühlt“ galt und seine rechtsradikalen Aktivitäten auf Demos in Thüringer ausdehnte und sich bei der Sonnwendfeier des damaligen NPD-Funktionärs Heise auf einem Foto ablichten ließ. Die Ignoranz eigener Fehlleistungen ist bei der Mehrheitsfraktion im Hessischen Landtag, der CDU, „nicht zu verhindern.“ Bleibt zu hoffen, dass dies mit dem Koalitionspartner SPD nicht so bleibt. Denn die SPD-Abgeordneten Gnadl traute sich denn doch einige Versäumnisse des LfV aus der Vergangenheit zu erwähnen: „Es gab Fehleinschätzungen“, vor allem hinsichtlich der Gefährdungslage durch den Rechtsextremismus, insbesondere bezogen auf die Person Stephan Ernst. So wurde allenthalben hervorgehoben, nicht zuletzt durch den anwesenden Innenminister Poseck, dass „der Rechtsextremismus die größte Gefahr“ für die Demokratie darstelle, ohne freilich den Zusatz auszulassen, dass „alle Formen des Extremismus“ (Poseck) zu bekämpfen seien.
Dass hierzu der LfV und die Polizei die zentrale Rolle in der inneren Sicherheit zu spielen haben, zeigte allein schon die zahlreiche Anwesenheit prominenter Vertreter dieser Behörden in der Sitzung des Innenausschusses. Auf die insistierenden Nachfragen der Grünen Abgeordneten Gronemann durften denn auch die Verantwortlichen, incl. der Innenminister, wortreich die Bemühungen der Behörden zur Verbesserung ihrer Arbeit, wenn auch meistenteils etwas wolkig und unkonkret, darstellen: Aufbau von personellen Kapazitäten, Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und LfV, Intensivierung der Kooperation der länderübergreifenden LfV-Arbeit sowie der Zusammenarbeit mit den hessischen Universitäten, Optimierung der Sicherheitssoftware, Aufbau eines Frühwarnsystems u.v.m. Der Maßnahmenkatalog ließe sich mühelos verlängern. Bei der Nachfrage nach einer schon vor Jahren von der SPD-Fraktion geforderten „Landesstiftung für Demokratie, Aufklärung und politische Bildung“ als Präventionsmaßnahme gegen Rechtsextremismus wurde es schließlich interessant. Hierzu berichtete der Innenminister, dass ein „Demokratiefördergesetz“ in Vorbereitung sei durch eine prominent besetzte Arbeitsgruppe von Staatssekretäre*innen aus verschiedenen Ministerien. Hier sollten die Vertreter*innen der Zivilgesellschaft aufmerksam sein und versuchen, den Fuß in die Tür der Vorbereitungsgruppe zu bekommen. Interessant für die nordhessischen Vertreter*innen dürfte es zudem sein, dass hier die ehem. Baunataler Bürgermeisterin Manuela Strube (Staatssekretärin beim Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales) sowie der Marburger Staatssekretär Christoph Degen (Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur), an der Ausarbeitung beteiligt sind.
Bleibt schließlich noch zu erwähnen, dass ohne die Initiative Nachgefragt e.V. mit ihrem Offenen Brief an den Landtag zum 6. Jahrestag der Ermordung Walter Lübckes im Juni d. J. sowie der Initiative der Grünen-Abgeordneten Vanessa Gronemann aus Kassel der Innenausschuss das Thema vermutlich überhaupt nicht behandelt hätte. So kam es auch zu einem ausdrücklichen Dank der SPD-Abgeordneten Gnadl und anschließend durch den Minister Poseck selbst an die Initiative. Bleibt zu wünschen, dass das Dankeschön die bröckelnde Brandmauer durch ein feuerfestes „Demokratiefördergesetz“, aber zuallererst durch eine glaubwürdige Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik der „demokratischen Parteien der Mitte“ unterlegt wird. Allein dann werden es die Menschen (nicht nur) bei Wahlen danken und der AfD und dem Rechtsradikalismus insgesamt den Nährboden entziehen.
Dennoch, ein fahler Beigeschmack bleibt. Die von der Initiative Nachgefragt e.V. geforderte öffentliche Entschuldigung, insbesondere bei der Familie Lübcke, durch die damalige Landesregierung, insbesondere den Ministerpräsidenten Rhein, für ihre fatalen Versäumnisse im Vorfeld der Ermordung Walter Lübckes, blieb einmal mehr aus.