CDU/CSU-SPD die “Hessenkoalition”: Dazu gelernt?

Um Rechtsradikalismus kennenzulernen, muss man in Hessen nicht über Landesgrenzen fahren. Zur Erinnerung: 2006 der NSU-Mord in Kassel an Halit Yozgat; seit 2015 rechtsradikale Polizei-Chats in Frankfurt/M.; 2019 der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den Neonazi Stephan Ernst; 2020 neun rassistisch motivierte Morde in Hanau durch einen Rechtsradikalen. Zu drei dieser Ereignisse in Hessen gab es parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Die Frankfurter Vorkommnisse in der Polizei sind bis heute ungeklärt. Sämtliche Ereignisse fanden unter einem Innenminister der CDU statt. Kein einziges dieser Ereignisse findet explizit Platz in dem Koalitionsentwurf von CDU/CSU und SPD für die Legislaturperiode 2024 bis 2029. Deshalb sind folgende Ergänzungen in den Koalitionsvertrag des Kapitels 3 notwendig.

Kapitel 3: “Aus Entschlossenheit für Sicherheit und einen starken Staat§

Die 2018 in der Frankfurter Polizei entdeckte rechtsextreme Chatgruppe „NSU 2.0“ findet keine Erwähnung. Die Eröffnung einer Hauptverhandlung durch das OLG Ffm ist weiter offen. In dem Entwurf des Koalitionsvertrages findet der Vorgang keine Erwähnung. Der Chat ist vermutlich nur die Spitze eines Eisbergs.

  1. Notwendig: Regelmäßige Überprüfung von internen Chatverläufen polizeilicher Dienststellen (unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen)
  2. Aus- und Fortbildung des Personals im Hinblick auf Demokratieverständnis und Demokratiefestigkeit überprüfen und ggf. ergänzen. Bei Vergehen disziplinarische Konsequenzen.
  3. Die Expertise aus den Hochschulen und der Zivilgesellschaft nutzen.

In allen drei Untersuchungsausschüssen wurden grundlegende Mängel in der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz festgestellt.  Deshalb

  1. Notwendig: Grundlegende Evaluierung der Arbeit des LfV durch externe Gutachten und ggf. Reformierung seiner Struktur, seiner internen Prozesse, seiner Kooperation mit anderen LfV und vor allem seiner qualitativen Personalausstattung.
  2. Mehr wissenschaftlich ausgebildete Mitarbeiter*innen.
  3. Fortbildung des vorhanden Personals in politischer Bildung (mit externer Unterstützung).
  4. Obligatorische Anhörung von und Beratung des Innenministeriums durch zivilgesellschaftliche(n) Organisationen gegen Rechtsextremismus.
  5. Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen gegen Rechtsextremismus durch Mittelzuwendung.

In Hessen ist die Demokratie vor allem, wie die o.g. Vorkommnisse zeigen,  durch den Rechtsextremismus bedroht. Der Koalitionsvertrag sollte dem verstärkt Rechnung tragen.

 

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Prof. Dr. Werner Ruf
    16. Dezember 2023 15:28

    Ein Kampf um die Köpfe, also ein Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit, ist umso wichtiger, als ein Problem, das in der Öffentlichkeit nicht thematisiert wird, schließlich gar nicht als solches existiert. Also müssen wir das tun.
    eine ganz andere, wichtige Frage ist, warum die Koalitionäre dieses Thema nicht selbst in die Öffentlichkeit bringen wollen!

    Antworten
  • Vielen Dank Michael für die angedachten Ergänzungen zum Koalitionsvertrag. An anderer Stelle habe ich bereits meine Zweifel an der Notwendigkeit von Reformen bezüglich des hessischen Verfassungsschutzes geäußert – Abschaffung wäre zielfördernd. Ja, der Rechtsextremismus bedroht die Demokratie. Die neue Koalitionsregierung aber stuft die Bedrohungslage anders ein bzw. trägt selbst dazu bei, daß sich Teile der Gesellschaft weiter nach rechts radikalisieren: Migration wird in Hessen nicht proaktiv humanitär ausgestaltet, sondern als Abwehr von Migration mittels größtmöglicher Abschiebung verstanden. Demokratie ( Asylrecht, Würde, Gleichheit…) sehe ich auch von dieser Regierung ernsthaft bedroht. Zudem sind die bundesweiten Demokratieprojekte durch die hausgemachte Haushaltskrise der ‘fortschrittlichen und wertebasierten’ Bundesregierung gefährdet.

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