Wie wenig emphatisch und engagiert muss man als Minister eigentlich sein, wenn man 50 Minuten lang ein von Referenten erstelltes Statement geradezu runterleiert, das Aufklärung um die Hintergründe des Mordes an seinem „Freund und Pfundskerl“ (Beuth), Partei- und über Jahre CDU-Fraktionskollegen verspricht, aber nichts weiter als Selbstrechtfertigungen beinhaltet? Und im Übrigen eigentlich nur das sagen will, was der Ministerpräsident von Hessen, Boris Rhein, schon in der 37. Sitzung inhaltlich vorgegeben hatte: „Der Mord war nicht zu verhindern“.
Die 38. und vorläufig letzte Sitzung des Lübcke-Untersuchungsausschusses mit dem Innenminister Beuth und dem ehem. Innenminister und Ministerpräsidenten a.D., Bouffier, verlief so wie erwartet: Die verantwortlichen Politiker rühmen sich ihrer Kompetenz im Aufbau, in der Effizienz und der höchsten Qualität ihrer Sicherheitsbehörden, ihrer unnachsichtigen Verfolgung des Rechtsextremismus – allerdings nur solange sie selbst Verantwortung getragen haben. Der Modus ihrer Argumentation gleicht dem sämtlicher ehemaliger Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV): Schuld am verheerenden Zustand (NSU-Akten) der Behörden allgemein und besonders bei der Verfolgung des NSU-Mordes an Halit Yozgat wie auch des Mordes an Walter Lübcke waren immer die Vorgänger, weil sie einmal mehr einen „Sauhaufen“ hinterlassen hatten. So bleibt es auch bei den Versäumnissen des jeweils anderen, nämlich die Akte von Stephan Ernst zu sperren, den vielfach vorbestraften Rechtsterroristen vom Radar zu nehmen, den „brandgefährlich“ Vermerk des LfV-Präsidenten Eisvogel zu ignorieren, die kritischen Hinweise einer LfV-Mitarbeiterin nicht zur Kenntnis zu nehmen, Stephan Ernst auf einem Foto bei einer rechtsradikalen Sonnwendfeier nicht erkannt zu haben, die hunderten Hass- und Drohmails an Walter Lübcke weg zu administrieren und die „Feindesliste“ der Rechtsradikalen mit Lübcke nicht zu kennen usw. usf. Es ist schon ein Trauerspiel, wie sich die politisch Verantwortlichen aus der Affäre zu ziehen versuchen und Krokodilstränen um ihren Parteifreund vergießen, dessen Ermordung „nicht vorhersehbar“ (Beuth) gewesen war. Diese ministerielle Einschätzung wurde mit dem Hinweis (vermeintlicherweise) untermauert, dass man schließlich dem Mörder „nicht hinter die Stirn gucken“ kann. Weiter runter geht kaum.
Gleichwohl müssen die Verantwortlichen Beuth und Bouffier, der am Nachmittag seine unsäglich ermüdende Selbsterhöhung eines elder statesman zelebrierte, denn doch etwas verschämt zugeben, dass, nach den Vorhaltungen von Eva Goldbach (Grüne) und Günter Rudolph (SPD), die frühzeitige Aktensperrung des späteren Mörders von Walter Lübcke „aus heutiger Sicht“ „ein Fehler gewesen“ sei (Beuth) und ihre weitere Bearbeitung auf bis zu 15 Jahre „am Ende doch möglich gewesen“ wäre (Bouffier). Schließlich blieben die offenen Fragen von Torsten Felstehausen (Linke) zu der Teilnahme von Ernst und Hartmann an gemeinsam mit der AfD stattgefundenen Kagida-Veranstaltungen in Kassel im Herbst 2015 im Unklaren.
Erhellend war allerdings der abschließende einmal mehr vorgetragene Einwand von Bouffier, dass der Mord an Walter Lübcke „nicht zu verhindern“ gewesen war. Damit schloss sich der ministerielle politisch Kreis der Übernahme von Verantwortung an dem Mord ihres Parteifreundes und letztlich, aus Sicht der CDU, das Ergebnis des Untersuchungsausschusses, den der Ministerpräsident vorgebeben hatte: Wir haben alles richtig gemacht. Welch ein selbstgerechtes Urteil nach 2 ¾ Jahren Ausschussarbeit.