Die Rüstungsindustrie in Kassel: Auf der Siegerstraße

Die Rüstungsindustrie in Kassel 4. Teil und Schluss

Der militärische Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 war ein Segen für die Rüstungsindustrie weltweit. So auch für die Kasseler Rüstungsunternehmen, namentlich die Firmen Rheinmetall Land Systeme (RLS) und KNDS (KMW NEXTER Defense System). So hat der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Papperger, auf die Frage nach seinem mittlerweile abgeschüttelten „Schmuddelimage“ erleichtert geantwortet: „Wir liefern Produkte für einen fairen Preis…Wir liefern das, was für die Sicherheit unserer Länder notwendig ist …Dafür muss man sich nicht schämen.“ Mehr noch, wie der DER SPIEGEL beim Besuch von KNDS-Mitarbeiter*innen berichtet: „Sie erzählen…von neuem Stolz und von einer heimlichen Genugtuung. Es entsteht das Bild eines Unternehmens, für das der Krieg eine Chance ist.“ (Nr. 45 v. 14.11.2023, S. 65).

Diese Kriegschance wird auch in den Kasseler Unternehmen seit anderthalb Jahren beherzt aufgegriffen. KNDS liefert bis 2025 100 Panzerhaubitzen 2000 (PzH) in die Ukraine. Ein hochmodernes fahrbares Panzergeschütz mit einer Geschoss-Reichweite zwischen 30 und 50 km. Die Fahrgestelle hierzu liefert RLS. Zwischen den Unternehmen herrscht im Übrigen eine fruchtbare Kooperation, die sich auch bei der Herstellung von Panzertürmen des Leopard 1 und 2 (von Toni Hofreiter (Grüne) und anderen Politiker*innen geradezu zärtlich „Leo“ genannt) bewährt hat und auch über einen Ringtausch mit anderen europäischen Ländern in der Ukraine eingesetzt werden. Beide Unternehmen bemühen sich, neben weiteren Kampfpanzerherstellungen wie etwa den Marder und den Gepard sowie den ins Gerede gekommenen PUMA-Panzer (“Pannen-Puma”), um weitere Großaufträge.

Für das Jahr 2022 gingen allein für KNDS neue Aufträge im Wert von 3,4 Milliarden Euro ein und steigerten den Auftragsbestand auf 11 Milliarden Euro. Rheinmetall verdiente unterm Strich im Jahr 2022 mit 469 Millionen Euro 61 Prozent mehr als 2021. Der Auftragsbestand ist mit 26,6 Milliarden Euro so hoch wie nie. Für 2023 erwartet Papperger (Rheinmetall) einen Umsatz zwischen 7,4 und 7,6 Milliarden Euro. Und für die Investoren und Aktienbesitzer ist der Ukrainekrieg ein Geldsegen: Die Aktie Rheinmetall sprang von 100 € (2021) im Jahr 2022 auf ein Allzeithoch von 224 €.

Dass hiervon auch die Kasseler Werke profitieren, liegt auf der Hand. So hat sich die Beschäftigung in den beiden Werken zusammen zwischen 2015 und 2023 um mehr als 20% erhöht. Die Anteile der Rüstungsindustrie an der Kasseler Industriebeschäftigung insgesamt werden damit, in Anknüpfung an eine alte Tradition, immer wichtiger. Neben den genannten zwei Großbetrieben kommen nämlich noch eine Reihe weiterer Unternehmen in Kassel hinzu, die sich mit der Herstellung von Rüstungsgütern befassen. Hierzu gehören u.a.  Daimler Benz mit Achsen für z. B. den Unimog, Hübner mit der Herstellung von Gummidichtungen für „Defense-Kunden“ oder auch Dedrone mit Drohnenabwehrprodukten (vgl. Die LINKE, Rüstungsatlas 2023). Damit dürfte sich die Zahl der Beschäftigten in Kassel, die sich mit der Herstellung von Rüstungsgütern befassen, auf ca. 3.500 gesteigert haben. Das sind aktuell ca. 14,8% der Industriebeschäftigung in Kassel (2015: 9,8%).

 

Auch für Teile der Kasseler Industrie und letztlich auch für den Kasseler Stadtsäckel ist der Ukrainekrieg ein Segen. So nimmt es nicht wunder, dass der alte und vermutlich neue hessische  Ministerpräsident, Boris Rhein (CDU), sich noch vor dem hessischen Wahlkampf aufmachte, um im Werk Kassel von KMW festzustellen: „Kassel ist das Zentrum der Rüstungsindustrie in Hessen“ (PM KMW v. 23.01.2023). Diese, vermutlich stolz und motivierend, gemeinte Feststellung ist für Kassel nicht neu und hatte vor 80 Jahren verheerende Folgen. Monate später wurde der Verteidigungsminister Pistorius (SPD) im ZDF am 29.10. 2023 noch deutlicher: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“ Wie man sieht, wird das an Kassel und seinen Rüstungsunternehmen nicht scheitern. Dass diese Haltung des SPD-Ministers in seiner Partei indes nicht unumstritten sein dürfte, zeigt die Aussage seines Genossen und Ex EU-Kommissars, Günter Verheugen, im Weser Kurier v. 27.08. 2023: „Das Gemetzel muss beendet werden.“ Solch ein Statement wird die Vorstände bei KNDS und Rheinmetall nicht erfreut haben. Sind sie doch zusammen mit der Rüstungsindustrie weltweit gerade auf die Siegerstraße eingebogen.

 

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