Ich gebe zu: Ich bin Fußballfan und ich bin, muss ich auch gestehen, Fan des KSV Hessen Kassel, Vereinsmitglied und leidensfähig. Der KSV, wie der Verein in Kassel gemeinhin genannt wird, spielt seit gefühlt Jahrzehnten in der Vierten Liga. Eigentlich sollte das genügen, aber tut es nicht. Ein heimlicher Fan vom BVB war ich ab und zu auch, aber das ist seit ein paar Wochen vorbei. Das hat der Geschäftsführer Watzke versaut, als er Rheinmetall als Sponsor des Vereins geholt hat. Der Uli Hoeness von Bayern München hat das nicht gemacht. Aber das ist alles eine andere Geschichte.
Jedenfalls schaue ich alle zwei bis vier Jahre viel Fernsehen, da stehen nämlich die Fußballeuropa- und Weltmeisterschaften an. Da drücke ich dann der deutschen Nationalmannschaft, ähm, der DFB-Elf ganz fest die Daumen. Das hat in der letzten Zeit auch weh getan, weil es manchmal eher wie im Auestadion war, na ja, leiden auf höherem Niveau, aber der Auftakt zur Euro 24 war dann doch überzeugend.
Jetzt kommt hinzu, dass mein Schweizer Cousin aus Gockhausen auch Fußballfan ist. Gockhausen hat 880 Einwohner, ist ein Ortsteil von Dübendorf, nahe Zürich, und hat keinen Fußballverein. So ist mein Cousin nur Fan der Nati. Nati ist im Schweizerischen die Fußballnationalmannschaft, die mit herausragenden Bundesligaspielern bestückt ist (Xhaka von Bayer Leverkusen zum Beispiel!). Nun wollte es das Losglück der Euro 24, dass die DFB-Elf am 23.06., einem Sonntag, abends um 21:00 gegen die Nati im Vorrundenspiel in Frankfurt/M. aufeinandertreffen. Was liegt näher, dass die Cousins aus der Schweiz und Deutschland an diesem Tag zusammenkommen, um bis in die Nacht hinein die Nati und die DFB-Elf kämpfen zu sehen. Dass ich in Deutschland kein Ticket bekommen habe und deshalb mittels eines Schweizer Tickets in den Block des Schweizerkreuzes muss, ist wieder eine andere Geschichte.
Einige wissen, ich bin ein Mann der Autoindustrie und bemühe mich trotzdem um eine gemäßigte CO2-Emmission. Da traf es sich gut, dass die Deutsche Bahn – man höre und staune – ein sensationelles Angebot für die Fußballfans gemacht hat: 29,90 € Ticketpreis jeweils für Hin- und Rückfahrt an jeden Spielort der Euro 24, also auch von Kassel nach Frankfurt/M. und wieder zurück. Mein Cousin hätte dieses Angebot auch nach Grenzübertritt in Anspruch nehmen können. Getrennte Hinfahrt und gemeinsam nach Spielende zurück nach Kassel – so war der Plan für billig Geld. Und da beginnt eigentlich erst meine Geschichte. Ich wollte das Angebot der DB in Anspruch nehmen und mit dem ICE nachmittags nach Frankfurt donnern, mich mit dem Cousin am Ffm-Hbf treffen, im Bahnhofsviertel bummeln gehen, Abstecher nach Sachsenhausen, Rippsche mit Sauerkraut essen, lecker Pils trinken (Äppelwoi ist nicht so mein Ding), gemütlich ins Stadion fahren, mich im Schweizer-Block möglichst nicht unbeliebt machen, ein, zwei Bierchen und nach dem Spiel zurück nach Kassel mit der Bahn.
Jeder, der schon einmal in einem vollbesetzten Fußballstadion nach Ende des Spiels seine Bahn oder sein Auto erreichen wollte, weiß, dass das schon mal länger dauern kann. Realistischerweise geht ein Fußballspiel, das um 21:00 beginnt, gegen 23:00 zu Ende, dann das langsame Herausdrängen aus dem Stadion, also wäre eine Heimfahrt von Ffm-Hbf vor 23:30 völlig unrealistisch. Zum Glück hatte die UEFA auf ihrer App den link zum DB-Fahrplan vorbereitet, so dass es ein Leichtes gewesen wäre, den passenden Zug nach Hause in Erfahrung zu bringen. Ihr wisst schon, was kommt: Der letzte Zug in die Heimat geht am 23.06. um 23:21, Ankunft 01:44. Immerhin. Aber ausgeschlossen, den Zug vom Stadion aus zu erreichen. Also was liegt näher als zur Bahnauskunft zum Bhf- Wilhelmshöhe zu gehen – warum? Um sich dort eine Abfuhr abzuholen. Ein mürrischer Bahnbeamter, hätte man früher gesagt, outete sich als Bayern-Fan, der keine DFB-Spiele guckt, wusste von einem DB-Angebot zur Euro 24 nichts, bestätigte die letzte Fahrt um 23:21 und empfahl den nächsten Zug um 00:17 zu nehmen. Dieser Zug hat eine Ankunftszeit in Kassel um 05:36 und eine Fahrzeit von 05 Std. 19 Min. bei, wer sich in Hessen nicht so auskennt, einer Strecke von ca. 190 km. Eine lange und gefährlich Nacht auf einigen hessischen Bahnhöfen.
Ihr ahnt schon das bittere Ende der Geschichte: zum Glück besitze ich noch einen bequemen Volkswagen T-Rock, der uns sicher nach Hause bringen wird. Aber ich kann erst ab 17:30 den für 15 € gebuchten Parkplatz in der Nähe des Stadions nutzen. Es wird also knapp mit einem Bummel durch Frankfurt und dem Sauerkraut in Sachsenhausen. Auf meine Bierchen im Stadion werde ich dann freilich auch verzichten müssen. Ein guter Mensch zu werden, CO2-arm zu leben und gleichzeitig fröhlich zu sein, fällt mit der Deutschen Bahn wirklich schwer.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hatte ein ähnliches Dejavu mit der Bahn.
Für unglaubliche 179€ hätte ich mit 3 Personen von KS nach Venedig und zurück fahren können. Allerdings hatte das Lock Angebot einen kleinen Haken. Die Umstiegszeit in Villach betrug 5 Minuten! Ein NoGo bei der bekannten (Un) Pünktlichkeit der DB, da kein Anschlusszug am selben Tag fuhr.
Hätte ich -im Gegenteil zu Michael – nicht eine sehr motivierte Kundenbetreuerin gehabt , wäre die Buchung und damit das Chaos real geworden.
Also: wieder ans Steuer
Also der absolute Verlierer der Euro 24 steht schon fest: die DB! Aber Autofahrer*innen sind nicht per sehr schlechte Typen – man wird geradezu durch die Bahn auf die Straße genötigt.😉 Wünsche Dir gute Fahrt und spannendes Spiel. Mein Tipp: 2:1 für die alemanes.
Ich bin trotz allem voller Hoffnung, dass es der ICE von Basel rechtzeitig vor Spielbeginn schafft……
Der Cousin