Seit Jahrzehnten das gleiche Bild in Nordhessens Industrie: Kommen die multinationalen Konzerne ins weltwirtschaftliche Schlingern, geraten die Zweigwerke in die Mühlen der “Standortoptimierung” der Unternehmen. Für Nordhessen, insbesondere für den Industriestandort Kassel hat das eine lange Tradition. Die großen Namen mit bitterem Ende sind Henschel, Enka und AEG. Aus den Restbeständen der schwedischen Electrolux-AEG hatte sich nach mehrmaligen Unternehmensverkäufen und Unternehmensteilungen (vgl. zur Vorgeschichte M. Lacher, Arbeit und Industrie in Kassel, Marburg 2018) die General Electric (GE) Grid Solutions mit 200 Mitarbeiter*innen herausgebildet. Ein hochinnovatives und hochspezialisiertes Kompetenzzentrum des Schaltgerätebaus soll zerschlagen werden.
“Das ist eine Riesenscheiße” sagt Matthias. Vassilev, Ingenieur, seit 13 Jahren bei GE Grid, findet es völlig unverständlich, eine so qualifizierte Belegschaft ins “Nichts zu schicken”.
Aus Sicht des Betriebsratsvorsitzenden Benjamin Heinicke ist es unverantwortlich, einen wirtschaftlich arbeitenden Betrieb an 7 Standorte in Europa zu verteilen, an Standorte, die zum Teil keinerlei Know-How der Kasseler Produkte besitzen. Angebote der IG Metall und des Betriebsrates, die u.a. einen Entgeltverzicht gegen Beschäftigungsgarantie beinhalten, sind bislang unbeantwortet geblieben. Ende September soll es eine neue Verhandlungsrunde geben.
GE Grid ist nicht der einzige Betrieb in Kassel und Nordhessen, der wackelt. Die Zukunft von Bombardier, dem traditionsreichen Lokbauer, ist offen. Die ZF Luftfahrttechnik GmbH in Calden, eine Tochter der ZF Friedrichshafen, von c. 400 Mitarbeiter*innen soll wie Bombardier mit 650 Mitarbeiter*innen incl. 80 Leiharbeitern verkauft werden. Hinzu kommen Unternehmen des Handels, wie etwa das Bekleidungsgeschäft Sinn im Insolvenzverfahren, des Gesundheitswesens, wie das defizitäre DRK Rotes Kreuz und zahllose kleinere Geschäftsaufgaben und arbeitslose Soloselbstständige vor allem der Kreativwirtschaft, die von Kassel und Nordhessen einen Weckruf erwarten. Kassel und Nordhessen müssen kämpfen. Es geht einmal mehr um die wirtschaftliche und soziale Zukunft der Stadt und der Region.