Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kassel

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

am 27. Februar 2023 hat die Kasseler Stadtgesellschaft einen seltenen Akt hoher demokratischer Kultur erlebt. Mit großem historischen Verantwortungsbewusstsein wurde nach intensiver Diskussion innerhalb der Stadtverordnetenversammlung dem ehem. Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Paul von Hindenburg, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kassel in einem symbolischen Akt einstimmig entzogen (HNA v. 28.02.2022). Mit diesem Entschluss sollte die Streichung des Namens aus der Liste der Ehrbürgerinnen und Ehrenbürger der Stadt einhergehen. Dieses Bekenntnis zur demokratischen Geschichte und Kultur der Stadt wurde über die politisch Verantwortlichen der Stadt hinaus aufmerksam zur Kenntnis genommen. So reagierte die Jüdische Gemeinde der Stadt genauso besorgt auf die historisch-politischen Versäumnisse der Stadt, wie auch der Vize-Präsident des Auschwitz-Komitees in Berlin, Christoph Heubner, die Stadt aufforderte, eine klare Haltung zu Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus einzunehmen.

Nunmehr müssen wir erstaunt und enttäuscht feststellen, dass die Stadt den einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung bis heute, 27. Sept. 2023, zumindest hinsichtlich der Streichung des Namens Paul von Hindenburg aus der Liste der Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger nicht umgesetzt hat. Der Name des Generalfeldmarschalls steht noch immer, wie schon vor sieben Monaten, auf der genannten Liste. Von außen betrachtet, ist Hindenburg noch immer Ehrenbürger der Stadt Kassel.

Wir fordern Sie hiermit höflichst auf, unverzüglich für die Umsetzung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung v. 27. Februar 2023 Sorge zu tragen und die Streichung des Namens Paul von Hindenburg aus der Liste der Ehrenbürger der Stadt Kassel zu veranlassen.

Hochachtungsvoll

Dr. Eva Schulz-Jander

Dr. Michael lacher

Kassel, 27.09.2023

3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ron-Hendrik Hechelmann
    4. Oktober 2023 12:30

    Vielen Dank für den offenen Brief. Ich werde als Stadtverordneter nach den Gründen für die noch nicht erfolgte Umsetzung fragen.

    Antworten
  • Katrin Lehmann
    28. September 2023 11:37

    Ich schließe mich den Ausführungen in dem offenen Brief von Frau Dr. Eva Schulz-Jander und Herrn Dr. Michael Lacher voll und ganz an und bitte um rasche Umsetzung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung.

    Antworten
  • Eckhardt, Manfred
    28. September 2023 9:46

    Hindenburg, so weiß man, war ein eaktionärer Deutsch-Nationaler, der Hitler als Steigbügelhalter ohne Not an die Macht verhalf.
    Die fürchterliche Konsequenz ist bekannt. Systematische Vernichtung von Menschen in Millionenanzahl.
    Grausame , faschistische Diktatur und elender Kriegstreiber.
    Eine Stadt wie Kassel darf diesen Namen nirgens im Stadtgebiet dulden !!

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